Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Osterfest.
Bei uns ist das einfach ausgefallen. Meine Tochter und ich haben seit Donnerstag Fieber – immer zwischen 38,6 und 39,9. Wir haben kaum gegessen, dafür viel ausgeruht, viel gehustet, Unmengen Taschentücher und Tee gebraucht.
Natürlich hat uns jeder nahegelegt, den Notarzt anzurufen, weil es immer leicht ist, sowas zu sagen, wenn man nicht selbst krank ist. Geht mir ja auch nicht anders. Aber wenn ich vor dieser Entscheidung stehe und ich komme noch „irgendwie“ selbst klar, dann rufe ich keinen. Notärzte ruft man nicht einfach so, denke ich. Da muss man schon in Lebensgefahr sein oder sich nicht mehr bewegen können oder sowas. Aber für eine Erkältung mit Fieber? Nein, das konnten wir beide nicht mit uns ausmachen. Glücklicherweise habe ich genug Ibu und Paracetamol im Haus gehabt (weil ich so oft Rückenschmerzen habe), Hustensaft, Salzwasser-Nasenspray, Salben zum Einreiben ect. hab ich auch im Haus.
Und so haben wir uns über Ostern immer wieder Fieber gemessen, wieder runtergekühlt, Wadenwickel gemacht, Tabletten gekommen und versucht, uns gesund zu schlafen. Mit trockenem Reizhusten und anschließendem Schnupfen nicht so einfach.
Wir haben uns daran festgehalten, dass wir heute ja zum Arzt gehen können, wenn es nicht besser ist.
Leider ist es aber so, dass der Kreislauf auch heute einfach im Keller ist. So schwindelig, wie uns ist, kann keiner Auto fahren oder zum Arzt laufen oder Stunden im Wartezimmer verbringen (vermutlich eher stehend als sitzend, weil zu wenig Stühle da sind). Absolut unmöglich für uns, da heute heute hinzugehen. Also habe ich um 8 Uhr beim Doc angerufen. Die Arzthelferin pampte mich direkt an, dass das der erste Tag nach dem Urlaub ist und das Wartezimmer voll ist und wir kommen müssten, natürlich Wartezeit einrechnen. Ich hab ihr gesagt, dass das nicht geht und gefragt, ob der Doc (zu dem ich mit einer Unterbrechung seit 35 Jahren gehe) heute noch rauskommen könnte.
„Das geht nicht. Der Doktor kommt nicht raus, sie müssen schon selbst kommen. Glauben Sie, Sie könnten so einfach einen HAUSBESUCH EINFORDERN?“ zickte sie mich mit extrem vorwurftsvoller Stimme an. Mir war, als hätte ich den Kaiser von China um eine Audienz gebeten, und das mit dreckigen Füßen. Ich hab überhaupt nichts eingefordert, sondern einfach nur nachgefragt, ob das möglich wäre. Dann hat sie mich 10 Minuten in der Warteschleife gehalten, um mir dann pampig und kurz mitzuteilen: „Der Doktor ist im Sprechzimmer, da kann ich jetzt nicht rein. Rufen Sie um 11 Uhr nochmal an. Ich lasse ihr Karteikarten hier draußen liegen.“
Zack – da hatte ich die erste Watschen weg. Wie konnte ich nur nachfragen? Wie konnte ich nur krank sein? Wo sie doch gerade Urlaub hatten? Und heute den ersten Tag wieder arbeiten müssen. Da muss ich doch Verständnis haben, wenn sie morgens um 8 Uhr schlechte Laune hat, oder? grmpf
Also hab ich um kurz nach 11 Uhr nochmal angerufen. Diesmal war eine nette, junge Arzthelferin am Telefon. Im Hintergrund waren ziemlich viele Stimmen zu hören. Offensichtlich war die Praxis voll. Die Arzthelferin wusste von nichts, die Kollegin von morgens war schon wieder im Feierabend, die Karten waren nicht auffindbar. So habe ich dann nochmal 10 Minuten in der Warteschleife verbracht und hatte dann den ziemlich gestressten Arzt am Telefon: „Setzen Sie sich in ein Taxi und kommen Sie her. Ich bin doch kein Roboter, nur ein Mensch. Die Praxis ist voll. Heute kann ich gar nicht kommen. Wieso haben Sie keinen Notarzt gerufen? Ich könnte frühestens morgen oder übermogen.“ Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass er im Streß ist, wenn er nach dem Urlaub auf ein volles Wartezimmer trifft. Ich kann auch verstehen, dass ihm das alles zuviel ist. Das hab ich ihm auch gesagt. Aber ich fühle mich einfach nicht in der Lage, in die Praxis zu kommen. Und ich habe mich schon mit sehr schlimmen Krankheiten in die Praxis geschleppt. Habe so dicke Mandeln gehabt, dass ich selbst Spucke nicht mehr schlucken konnte. Er dachte, das wäre Diphterie, so dicht war ich. Ich habe so oft mit hohem Fieber da gesessen. Im letzten Jahr bin ich mit dem Bandscheibenvorfall noch selbst in die Praxis gefahren, weil er nicht rausgekommen ist. Es ist ein Wunder, dass ich das unfallfrei hingekriegt habe mit dem tauben Bein und dem Schalten. Einfach unverantwortlich von mir, so noch zu fahren. Aber ich hatte keine Wahl. Aber heute? Wenn ich so benebelt fahre würde? Mit meiner kranken Tochter an Board? Nein! Es geht ja nicht nur um mich. Für ein Taxi habe ich kein Geld und es ist niemand da, der uns fahren könnte. Laufen geht gar nicht. Das schaffe ich nicht mal bis zum Mülleimer draußen. Nach 5 Tagen Fieber ist mein Körper völlig neben der Spur. Und meiner Tochter geht es nicht besser.
Nachdem er noch mehrmals erwähnt hat, dass er kein Roboter ist, habe ich ihm gesagt, dass er nicht kommen muss, wenn es absolut nicht geht. Ich kann das verstehen. Wenn voll, dann voll. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Dann würde ich halt den Notarzt anrufen (da der Arzt das ja jetzt selbst vorgeschlagen hat). Das hat ihm aber auch nicht gefallen: „Der Notarzt kommt nicht raus, wenn Sprechzeiten sind. Der käme frühestens um 20.00 Uhr. Und wenn Sie dem sagen, dass sie bei uns nicht behandelt wurden, gibt es Ärger. …. Ich komme entweder heute in der Mittagszeit oder Abends.“ Sprach’s und fertig.
Nach dem Telefonat war ich wie betäubt. Zuerst die Anfuhr heute Morgen am Telefon von der ersten Arzthelferin mit diesem Vorwurf, den Hausbesuch einzufordern. Dann jetzt diese Ansage vom Arzt. Ich schwanke zwischen „ich rufe da jetzt an und dann soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst“ und „es geht einfach nicht, wenn kein Arzt kommt“. Meine Tochter ist ebenfalls ziemlich angefressen über die Art und Weise, wie die uns abgefertigt haben. Wir sind auch keine Roboter, sondern Menschen – und dazu noch kranke. Ich würde nie nach einem Hausbesuch fragen, wenn ich einen anderen Weg sehen würde. Und jetzt versuchen die, uns ein schlechtes Gewissen zu machen deswegen? Kann ja wohl nicht wahr sein. Das ist ja wohl eher kontraproduktiv, oder? Heilsam ist das auf keinen Fall. Ich bin gerade so wütend.
….
2 Stunden später. Der Arzt war hier. Er hat mehrmals betont, dass er nur rausgekommen ist, weil er mich so gut leiden kann, sonst wäre er nicht gekommen. Er hätte jetzt noch 20 Patienten in der Praxis sitzen. Er hat uns im Wohnzimmer untersucht. Meine Tochter zur Balkontür geschoben, damit er in ihren Hals schauen konnte. Als Licht hat er sein Handy vor ihren Mund gehalten. (so dunkel ist es doch bei uns gar nicht. Schon gar nicht, wenn wie heute die Sonne scheint und hier die gesamte Beleuchtung an ist). Mehr schwankend als laufend taumelte sie zur Tür, wo er ihr zuerst einen Holzspatel tief in den Hals schob, bis sie röchelte, dann noch abgehört hat und das war es schon.
Bei mir lief es ähnlich ab, nur ohne Balkontür. Ich konnte auf dem Stuhl sitzen bleiben. Den Spatel hat er sich auch geschenkt. Besser ist das! Ruppig und kurz gingen unsere Untersuchungen innerhalb von Minuten zuende. Ich bekam eine Spritze gegen Fieber und Schmerzen. Meine Tochter wollte keine und hat das auch klar und deutlich gesagt. Er hielt sich dann dran, dass sie auch eine kriegen sollte. Er würde ja dafür keinen Euro mehr kriegen. Es würde ihr nur besser gehen mit der Spritze. Da sie aber ebenso Angst vor Spritzen hat wie ich, wollte sie nicht. Und er hielt sich dran und hielt sich dran und bedrängte sie sogar körperlich, folgte ihr bis auf die Couch. Ich bin dazwischen gegangen. Er hat dann die Rezepte ausgeschrieben, hat zig mal nach Allergien gefragt, hat zig mal nach unseren Namen gefragt, nochmal nach Allergien. Und wieder erwähnt, dass er das nur ausnahmsweise gemacht hat, weil er mich so mag. Dann hat er noch irgendwas von mich heiraten gesagt, dass das aber zu spät wäre und dass er meine Tochter nicht heiraten würde (weil sie keine Spritze wollte) und dass wir uns aber so lange kennen und er nur deshalb gekommen wäre. Das ging alles so schnell, ich konnte gar nicht so schnell denken. Dann schnappte er sich unsere Versicherungskarten, packte sie ein, bestellte uns für Freitag in die Praxis und dann war er wieder weg.
…
Mein Ex-Mann war gerade hier, er wird für uns die Rezepte einlösen gehen. Ich bin ganz froh drum und wundere mich ein bisschen darüber. Er erzählte, dass er heute morgen auch bei diesem Arzt war. Er hatte auch um 8 Uhr angerufen, war 15 Minuten in der Warteschleife und hatte dann aufgelegt. Um Viertel nach 11 Uhr war er dann in der Praxis, um ein Rezept zu holen. Es war wohl sehr voll dort. Die Patienten haben bis draußen im Flur gestanden. Er hat mitgekriegt, als ich da angerufen habe, hat die Diskussion in der Praxis wegen „Hausbesuch“ mitgekriegt. Er hatte aber keine Ahnung, dass ich am Telefon war. Ganz schön schräg, oder?
Jetzt warten wir auf die Medikamente (Penicillin und Ambroxol – igitt). Kann ja nur aufwärts gehen, oder?
Jetzt, wo ich das alles aufschreibe und Revue passieren lasse, fällt mir auf, wie schrägt das alles war. Normal ist das nicht, oder? Ich habe überhaupt keine Lust mehr, da jemals wieder hinzugehen. Der ist her voll über Grenzen gegangen und hatte gar keinen Plan, wer wir sind oder wer was hat oder Allergien oder so. Ich könnte fast vermuten, dass er wie im Burnout arbeitet. Fast so war es bei mir damals auch. Ich hab zwar alles gehört, aber nichts verstanden. Geht mir heute noch oft so.
Was denkt ihr darüber? Habt ihr sowas auch schon mal erlebt? Was macht ihr wirklich in so einer Situation? Holt ihr sofort einen Notarzt? Wartet ihr auch viel zu lange mit dem Arztbesuch? Oder bin ich mit diesem „ach, das wird schon nicht so schlimm sein“ alleine? Ich denke immer „andere sind kranker als ich und brauchen den Arzt eher“ und „denen darf ich die Zeit nicht nehmen“. Gut ist das nicht, wenn ich mich mental so runtermache. Ich lerne doch gerade in der Therapie, dass ich für mich und meine Bedürfnisse einstehen soll und das auch deutlich machen soll. Und immer wieder üben, üben, üben.
…
Ich weiß nicht mal, was er mir da gespritzt hat. Und eine Diagnose gab es auch nicht – wie immer. Und ich fühle mich ganz knautschig im Kopf.
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Geschrieben
am 27. Februar 2014